Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg - das Museum als völkerverbindende, europäische Idee

 
Mark Zimmermann

Erstellt | Geändert

600.000 Jahre europäische Kulturgeschichte auf 25.000 Quadratmetern mit mehr als 1,3 Millionen Objekten unterschiedlichster Genres – so lauten die beeindruckenden Zahlen des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg (GNM), das für Dr. Sonja Mißfeldt mehr denn je eine „völkerverbindende, europäische Idee“ repräsentiert. Im Interview mit Bayern online gibt die Pressesprecherin Einblicke in die Geschichte dieses Museums mit Weltgeltung.

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg - das Museum als völkerverbindende, europäische Idee

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg - Barocksaal

 

Das Germanische

Nationalmuseum Nürnberg

wurde 1852 gegründet.

Made in Noris

Das Museum in der Kartäusergasse befindet sich am rechten Platz, schließlich galt Nürnberg einst als bedeutendes europäisches (Handels-)Zentrum aus Weltkünstlern wie Albrecht Dürer sowie Pionieren, die neben Waren auch kostbares Wissen tauschten. „Ein intellektueller Schmelztiegel“, so Sonja Mißfeldt, ein fruchtbarer Boden für die Herstellung von Qualitätsprodukten, die heute auch im Nationalmuseum zu sehen sind.
Zur Geschichte: Nach langjährigen Vorarbeiten begründete Freiherr Hans von und zu Aufseß im Jahre 1852 das Museum als „Generalrepertorium“. Dies war die erste Bestrebung im deutschen Vielvölkerstaat, ein einheitliches, politisches Gebilde mit gemeinsamer Sprache, Geschichte und Kultur zu erschaffen.
Die heutige Sammlung inklusive des Leibniz-Forschungsmuseums ist vergleichbar mit dem kunsthistorischen Museum in Wien und dem Victoria and Albert Museum in London. „Wir haben es hier mit Häusern zu tun, die einen sehr breit aufgestellten Sammlungsbestand aufweisen.“
Das GNM gilt nicht nur als das größte kulturhistorische Museum in Zentraleuropa, sondern auch als das vielseitigste. Die Mannigfaltigkeit der Kunstschätze von der Ur- und Frühzeit bis in unsere Gegenwart ist so enorm, dass das Museum immer wieder expandieren muss. „Wir haben von allen Gattungen etwas in unserem Bestand“, so Mißfeldt, „Gemälde, Skulpturen, Möbel, Porzellan, Gold- und Silberschmiedearbeiten, Schmuck, Spielzeug, wissenschaftliche Instrumente, Waffen, Ritterrüstungen ... es schadet sicher nicht, sich die Jahreskarte zu kaufen und in regelmäßigen Abständen immer mal wieder bei uns vorbeizuschauen.“

Wo sich grüne Klostergärten in den Glasbauten der Moderne spiegeln

Das GNM befindet sich in exquisiter historischer Lage direkt in der Nürnberger Innenstadt.
Der Mittelpunkt des Forschungs- und Bildungsortes ist das spätmittelalterliche Kartäuserkloster. Die historische Bausubstanz verschiedener Epochen steht teilweise unter Denkmalschutz. So führt die postmoderne Eingangshalle zum oben bereits erwähnten gotischen Kloster, wo sich „die grünen Gärten der Innenhöfe in den Glasbauten der Moderne von Sep Ruf spiegeln“.

„Das Museum ist wahrlich nicht in einem Guss entstanden“, erzählt Mißfeldt, „alle 20 bis 30 Jahre wurde der Platz zu klein, so hat man drumherum etwas angebaut. Das macht einen großen Charme des Hauses aus. Und 800 Jahre Architekturgeschichte.“ Dass ein Großteil dieser Ästhetik aus der Nachkriegszeit stammt, ist nicht von der Hand zu weisen – aber auch das ist eben ein Teil der eigenen Kulturgeschichte, die man nicht leugnen dürfe.
„Der 2. Weltkrieg hat den Ort architektonisch übel getroffen.“ Nürnberg war als einstige Stadt der Reichsparteitage ein wichtiges Ziel der alliierten Bomber. Die Kunstwerke des Germanisches Nationalmuseums wurden damals unterirdisch zum Beispiel in den Felsengängen ausgelagert und so vor den Angriffen geschützt.

Video Kulturportal - Museum: Germanisches Nationalmuseum

Video Kulturportal - Museum: Germanisches Nationalmuseum

Das Germanische Nationalmuseum beherbergt nicht nur eine beeindruckende Sammlung von bildender Kunst, sondern auch eine herausragende wissenschaftliche Spezialbibliothek. Die Bibliothek umfasst erstaunliche 650.000 Bände, die sich mit der faszinierenden Geschichte der europäischen Kunst und Kultur auseinandersetzen. Hier finden sich Schätze der Vergangenheit, die Einblicke in die Entwicklung und Vielfalt der menschlichen Kreativität bieten. Von antiken Artefakten bis zu Meisterwerken der Malerei bietet das Museum eine faszinierende Reise durch die Vergangenheit und lädt dazu ein, die Evolution der Künste hautnah zu erleben. Es ist ein Ort des Forschens, Lernens und der lebendigen Auseinandersetzung mit Geschichte.

Hier geht's zum Video.

Bewusstsein schaffen und sensibilisieren

Was ist Kunst? Manche Kunst erscheint uns, um ein Bild des Philosophen Walter Benjamin zu zitieren, wie der „Engel der Geschichte“.
Er ist ein mahnendes Beispiel dafür, aus den großen Katastrophen der Vergangenheit die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen. Auch das Nationalmuseum möchte pädagogischer Vermittler sein. Alle Sonderschauen basieren auf der Dauerausstellung und den zahlreichen Forschungsprojekten.
Eine aktuelle Exposition beschäftigt sich mit dem Thema „Krieg und Frieden“. Mißfeldt: „Wir reagieren damit auf den Krieg in der Ukraine. Wir möchten den Menschen vor Augen führen, welche Folgen Kriege haben. Deshalb gibt es auch Fotos des zerstörten Museums aus der Nachkriegszeit sowie beschädigte Skulpturen zu sehen. Das berührt viele Leute. Wir hoffen, dass es sie daran erinnert, besser friedlich zu bleiben.“ Das Museum selbst wird also zum Reflexionsgegenstand. Man denke in diesem Zusammenhang an die Gedächtniskirche in Berlin, deren Torso an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges erinnert.
Auch die „Straße der Menschenrechte“ unmittelbar vor dem Haupteingang regt zum Nachdenken an. Der Anlass für das vielleicht größte Kunstwerk im Kontext des GNM waren ganz profane Baumaßnahmen. „Die Stadt wollte die Kartäusergasse mit einer Installation adeln“, erzählt Mißfeldt. Die Zusage für die Neugestaltung bekam schließlich der israelische Bildhauer Dani Karavan. „Eine lange Reihe von Säulen ist nun seit 1993 in der Gasse und vor dem Haupteingang zu sehen. Auf jeder dieser insgesamt 27 weißen Säulen mit acht Metern Höhe ist ein Artikel der Menschenrechte eingraviert. In Deutsch sowie in der Sprache eines Landes, in dem die Menschenrechte missachtet wurden – oder noch immer werden.“

5Fragen an die Pressesprecherin des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg

1.

Frau Mißfeldt, was zeigt das Germanische Nationalmuseum – Leibniz-Forschungsmuseum für Kulturgeschichte (GNM) in Nürnberg

Unser Museum vereint 600.000 Jahre europäische Kulturgeschichte von der Ur- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart auf 25.000 m² Ausstellungsfläche. Es ist somit nicht nur das größte kulturhistorische Museum in Zentraleuropa, sondern auch das vielseitigste. Wir haben u.a. Gemälde, Skulpturen, Möbel, Gold- und Silberschmiedearbeiten, Spielzeug und wissenschaftliche Instrumente. Es schadet sicher nicht, sich die Jahreskarte zu kaufen und in regelmäßigen Abständen immer mal wieder vorbeizuschauen.

2.

Wie finden Sie die Themen für die Sonderausstellungen?

Alle Sonderschauen basieren auf unserer Dauerausstellung und unseren Forschungsprojekten. Picasso wird man bei uns also nicht sehen. Eine aktuelle Schau beschäftigt sich mit dem Thema "Krieg und Frieden". Eine Reaktion auf den Krieg in der Ukraine. Wir möchten den Menschen vor Augen führen, welche Folgen Kriege haben. Deshalb gibt es auch Fotos des zerstörten Museums aus der Nachkriegszeit sowie beschädigte Skulpturen zu sehen. Das berührt viele Leute. Wir hoffen, dass es die Menschen daran erinnert, besser friedlich zu bleiben.

3.

Wie haben sich die Besucher in den letzten Jahren verändert?

Heute verstehen sich die Besucher besser darauf, schnellere Bildwechsel wahrzunehmen. Auch das Vorwissen hat sich verändert. Heute ist es ist nicht mehr selbstverständlich, dass die Besucher wissen,  welcher Mann und welche Frau am Kreuze Jesu stehen.

4.

Das GNM hat den Zusatz "Leibniz-Forschungsmuseum für Kulturgeschichte". Was ist darunter zu verstehen?

Forschung und Wissenschaft werden bei uns groß geschrieben. Die Leibniz-Gemeinschaft ist ein großer Forschungsverbund aus über 100 Institutionen. Deutschlandweit sind nur 8 Museen in diesem Verbund. Darunter das Germanische Nationalmuseum.

5.

Mit welchen anderen großen Museen ist das GNM vergleichbar?

Auch beim kunsthistorischen Museum in Wien und dem Victoria and Albert Museum in London haben wir es mit Häusern zu tun, die einen sehr breit aufgestellten Sammlungsbestand aufweisen können.

Video: Germanisches Nationalmuseum, Germany Walking Tour

Video: Germanisches Nationalmuseum, Germany Walking Tour - Video von YouTube

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, Deutschland, wurde 1852 gegründet und beherbergt eine vielfältige Sammlung zur deutschen Kultur und Kunst von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart. Es ist Deutschlands größtes Museum für Kulturgeschichte mit insgesamt rund 1,3 Millionen Objekten, von denen etwa 25.000 ausgestellt sind. Das Museum liegt im südlichen Teil des historischen Stadtzentrums entlang der mittelalterlichen Stadtmauer und beheimatet den "Weg der Menschenrechte", gestaltet vom Bildhauer Dani Karavan.

Hier finden Sie das Video.

 

 

Der "Weg der Menschenrechte"

Der "Weg der Menschenrechte", gestaltet vom renommierten Bildhauer Dani Karavan, ist eine inspirierende Installation im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Dieser Weg, entlang der historischen Stadtmauer, veranschaulicht auf künstlerische Weise grundlegende Menschenrechte und lädt Besucher dazu ein, über die Bedeutung dieser universellen Werte nachzudenken und zu reflektieren.

Analog vs. digital: Datenbanken, Digital Storys, Museums-BLOG

Ein ganz anderes Thema in der Welt der Museen ist die Digitalisierung. „Analog versus digital. Früher hieß es noch: ‚Nichts kann die Aura des Originals ersetzen‘ – aber wir möchten ja auch gar nichts ersetzen, wir wollen ergänzen."

Das Digitale ist auch in Nürnberg Trumpf, wenn es zum Beispiel darum geht, Vasen von allen Seiten zu betrachten, ohne sie jedoch anzufassen. Die Pandemie habe diese virtuelle Transformation ohne Zweifel beschleunigt, sagt Mißfeldt. Viele dieser Angebote, wie zum Beispiel Online-Führungen, hat das Museum nun dauerhaft übernommen. Zudem hat das Germanische Nationalmuseum all seine Räume hochauflösend gescannt. Ein großes Archiv ist entstanden, das neben den Besuchern aus aller Welt auch dem Museum zu Diensten steht.

In der Forschungsarbeit steckt viel Museumsgeschichte. Die dokumentierten Ebenen werden zukünftigen Generationen zeigen, welchen Charakter die Ausstellungen früher hatten. „Es gab Zeiten, da war es eben modern, die Exponate historisierend zu präsentieren. Dabei bemalten die Kuratoren die Wände, um ein bestimmtes Ambiente zu schaffen. Später kamen sogenannte ‚white cubes‘, also weiße Würfel in Mode. Das Konzept: Nichts soll von der Aura der Objekte ablenken.“

Nichts soll vom Kunstgenuss ablenken – das gilt für Museen immer noch. Sonja Mißfeldt spricht deshalb von „alternativen Vertiefungsebenen“ für unterschiedliche Besucherbedürfnisse. Ganz gleich, ob virtuell oder leibhaftig. „Der Schüler soll sich bei uns genauso aufgehoben fühlen wie der Experte, der einen gesamten Nachmittag in einem bestimmten Raum vor ganz bestimmten Werken zubringt.“

Highlights

Pressesprecherin Dr. Sonja Mißfeldt
Pressesprecherin des GNM – Dr. Sonja Mißfeldt
  1. 600.000 Jahre Kulturgeschichte in 60 Minuten

    „Das Germanische Nationalmuseum hat eigentlich nur Highlights“, so Dr. Sonja Mißfeldt. Die Vorliebe der Pressesprecherin aber gilt dem 19. Jahrhundert. Im Detail bedeutet das: „Großformatige, vielleicht ein bisschen schwülstige Historiengemälde“ sowie der Jugendstil. Für alle anderen Besucher warten 600.000 Jahre Kulturgeschichte (die in einem Audioguide in 60 Minuten bereist werden können). Der museumseigene BLOG unter www.gnm.de/museum-aktuell ist ein lesenswertes Pädagogik-Tool. Ebenso inspirierend ist der Ort des Museumsgeschehens: Ein spätmittelalterliches Kartäuserkloster.

  2. „Behaim-Globus“ aus den Jahren 1491-1494

    Der „Behaim-Globus“ des Nürnbergers Martin Behaim ist der älteste erhaltene Globus der Welt. Hierzu erzählt Mißfeldt eine „tragische“ Geschichte: „Parallel zur Entstehung brach Columbus auf und ‚entdeckte‘ einen Erdteil, der auf diesem Globus freilich noch fehlte. Dennoch oder gerade deshalb ist er ein authentisches Objekt, denn es zeigt die Schnelllebigkeit dieser Epoche.“

  3. Schlüsselfelder Schiff

    Das „Schlüsselfelder Schiff“ ist ein Schiffsmodell als Tafelaufsatz und wurde vor 1503 in Nürnberg geschmiedet. Gut möglich, dass das Exponat seinerzeit als adliges Trinkgefäß zum Einsatz kam.

Video: Museumscheck - Dokumentation vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg

Video: Museumscheck - Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Doku

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg ist ein beeindruckendes Museum, das eine facettenreiche Sammlung zur deutschen Kultur und Kunst von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart beherbergt. Als größtes Museum für Kulturgeschichte in Deutschland bietet es einen faszinierenden Einblick in die Vergangenheit.
Das großartige Museum in Nürnberg ist nicht nur ein Schaufenster der deutschen Geschichte und Kultur, sondern setzt auch auf Innovation durch umfassende Digitalisierung, um seine Schätze einem globalen Publikum zugänglich zu machen

Hier finden Sie das Video.

Podcast mit Frau Dr. Sonja Mißfeldt, der Pressesprecherin des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg

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Das Video zum Podcast mit Frau Dr. Sonja Mißfeldt

Das Video zum Podcast mit Frau Dr. Sonja Mißfeldt

Begleiten Sie uns zu einem spannenden Gespräch im Bayern-online-Podcast-Interview mit Frau Dr. Sonja Mißfeldt, der Pressesprecherin des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Gemeinsam mit Mark Zimmermann taucht sie ein in die faszinierende Welt des einzigartigen Museums, enthüllt dessen Schätze und spricht über die aufregenden digitalen Entwicklungen. Ein Muss für Geschichts- und Kulturinteressierte, die Neues entdecken möchten.

Hier finden Sie das Video.

Hier finden Sie das Germanische Nationalmuseum im Zentrum von Nürnberg

Haben Sie Fragen an das Team vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg?

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Mark Zimmermann

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Mark Zimmermann ist Gründer von Bayern-online.de und schreibt das Blog Quergereist.de

Interview: Mark Zimmermann
Text: René Becher
Text und Produktion: Annegret Bauch